Unsere Sprechzeiten:

Seelisch fit und gemeinsam stark!

Fachtagung zur seelischen Gesundehit un Inklusion von Kindern und Jugendlichen in Brandenburg am 25. November 2015 im Hoffbauer Tagungshaus in Potsdam

Wie können bestmögliche Teilhabebedingungen für alle Kinder realisiert werden?
Wie kann ein wirksames Hilfesystem für Kinder und Eltern gestaltet sein?

Mit diesen Fragen befassten sich die Teilnehmenden des Fachtags „Seelisch fit und gemeinsam stark!“ am 25. November in Potsdam. Eine Unter-Arbeitsgruppe der AG Seelische Gesundheit im Bündnis Gesund Aufwachsen erarbeitete im Vorfeld ein umfangreiches Tagungsprogramm. Ein Markt der Möglichkeiten bot die Gelegenheit, sich zur vielfältigen Angebotslandschaft in Brandenburg zu informieren.

Die Fachtagung wurde moderiert von Frederik Pettelkau und Holger Kilian
(Gesundheit Berlin-Brandenburg / Fachstelle Gesundheitsziele im Land Brandenburg).

Grußwort

Thomas Barta, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg

Herr Barta würdigte in seinem Grußwort das gute Unterstützungssystem zur seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Brandenburg. Auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft sei die seelische Gesundheit eine Voraussetzung für Lebensqualität und Teilhabe. Kinder und Jugendliche mit seelischen Problemen könnten häufig noch stärker beteiligt werden. Herr Barta hob die Bedeutung gut aufeinander abgestimmter, bedarfsgerechter Unterstützungsangebote „aus einer Hand“ hervor. Seelische Gesundheit und Inklusion seien sehr komplexe Themenbereiche und stellten daher hohe Anforderungen an die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen.

Vorträge

Inklusion als gesamtgesellschaftliches Versprechen. Herausforderungen im Zusammenhang mit der seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, Engführungen und radikale Perspektiven
Prof. Uwe Bittlingmayer, Pädagogische Hochschule Freiburg

Prof. Bittlingmayer stellte zunächst die Diskursentwicklung zum Inklusionsbegriff in Deutschland vor. Inklusion sei aktuell definiert als „Ausdruck einer Philosophie der Gleichwertigkeit jedes Menschen, der Anerkennung von Verschiedenheit, der Solidarität in der Gemeinschaft und der Vielfalt von Lebensformen.“ Die Durchsetzung von Inklusion gehe einher mit der „Transformation gesellschaftlicher Strukturen [und] der Revision disziplinärer Wissensbestände“, welche die Herausbildung neuer Handlungs- und Forschungsfelder bewirke. Eine Kernfrage gesellschaftlicher Inklusion ist für Prof. Bittlingmayer, „...ob wir [...] eine Gesellschaft wollen, in der die vollständige Teilhabe nicht von der persönlichen Leistung abhängt – das ist der normativ weit gefasste Sinn von Inklusion – das wäre zu diskutieren“.

Präsentation Prof. Bittlingmayer

Was bedeutet seelische Gesundheit aus medizinischer Sicht?
Christian Schulze, Amtsarzt, Oberhavel

Herr Schulze zitiert den Kinder- und Jugendpsychiater Helmut Remschmid, der (psychische) Krankheit beschreibt als „...einen Zustand unwillkürlich gestörter Lebensfunktionen, der eine zeitliche Dimension aufweist und ein Kind oder Jugendlichen entscheidend daran hindert, an alterstypischen Lebensvollzügen aktiv teilzunehmen und diese zu bewältigen.“ Kinder und Jugendliche müssten vielfältige Entwicklungsaufgaben bewältigen, sie befänden sich im ständigen Übergang, in hormoneller Umstellung und sozialer Labilität. Die ärztliche Diagnostik stelle sich als  dementsprechend komplex dar: Das Spektrum reiche von der körperlichen Untersuchung über die Feststellung von Entwicklungsbeeinträchtigungen im Bereich Sprache und Motorik bis zur Untersuchung psychopathologischer Faktoren, die eng mit der sozialen Umwelt der Kinder und Jugendlichen zusammenhänge.

Präsentation Herr Schulze

Wer Hilfe braucht, soll diese finden: Von der Vorsorgeuntersuchung bis zum Neurofeedback

Michael Frey, kobra.net / Kathleen Krause, Bildung und Gesundheit / Cathrin Pelz, Gesundheitsamt Oranienburg

Die drei Referierenden veranschaulichten die Brandenburger Unterstützungsstrukturen für seelisch kranke Kinder und Jugendliche beispielhaft anhand der Biografie eines autistischen Kindes. Das Fallbeispiel machte deutlich, dass das Land Brandenburg über ein komplexes Unterstützungssystem mit einer hohen Güte verfügt. Gleichzeitig bietet sich der Gesamteindruck vieler ungeordneter „Puzzleteile“ aus den verschiedenen Versorgungsbereichen des Gesundheitssystems, welche besonders für Betroffene schwer zu überblicken sind.
Ein „Zusammenfügen“ der vielen Teile zu einem übersichtlichen Gesamtbild („einheitliche Hilfestrategie“) hätte eine bessere Orientierung der Betroffenen und damit auch eine passgenauere Reaktion auf eine ärztliche Diagnose zur Folge.

Blitzlichter guter Praxis

Familienpraxis „Hilfen aus einer Hand“
Solveig Flieth und Kathinka Schneider

Die Referentinnen vermittelten einen Überblick über die Leistungen und Arbeitsweise der Familienpraxis „Hilfen aus einer Hand“ in Prenzlau. Seit drei Jahren betreut das multiprofessionelle Team der Einrichtung sowohl Familien mit verhaltensauffälligen Kindern als auch Familien, in denen die Eltern psychisch belastet sind. Die Mitarbeitenden leisten psychologische und pädagogische Unterstützung, um langfristig die Selbstwirksamkeit der Familienmitglieder zu stärken. Mit dem Fokus auf das ganze System „Familie“ und der darauf abgestimmten Bündelung von Hilfeleistungen sind schnelle und flexible Interventionen möglich.

Präsentation Frau Flieth und Frau Schneider

Die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) in Bremen
Wolfgang Breul, Stadt Bremen

Herr Breul ist Referent für die Angelegenheiten der Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) in Bremen. Die ReBUZ bilden eine schulnahe, nachgeordnete, selbständige Dienststelle, welche ergänzend zu den Aufgaben der Schulen die Bereiche Bildung und Jugendhilfe verbindet. Über das gesamte Bremer Schulsystem hinweg bearbeiten die ReBUZ Themen wie Prävention, Beratung und Diagnostik bis hin zu Krisenintervention, Koordination und Netzwerkarbeit. Die ReBUZ geben den Schulen Unterstützung z.B. in Form sonder- und sozialpädagogischer Dienste und präventiver Maßnahmen (schulergänzend und schulersetzend).

Präsentation Herr Breul

Diskussionsrunde "Inklusive Hilfen aus einer Hand - ein Modell für Brandenburg?"

An der Podiumsrunde teilgenommen haben:
– Claudia Buschner, kobra. net
– Wolfgang Breul, Stadt Bremen
– Solveig Flieth, Hilfen aus einer Hand (Prenzlau)
– Werner Mall, ArGe der Krankenkassen
– Elisabeth Schütz, LIGA der freien Wohlfahrtspflege
– Christian Schulze, Landkreis Oberhavel

In der abschließenden Diskussionsrunde zusammen mit allen Teilnehmenden wurden Erfahrungen, Ideen und Herausforderungen bei der Entwicklung inklusiver Hilfen aus einer Hand angesprochen. Insbesondere zwei Themenbereiche bildeten sich in der Diskussion heraus:

Zum einen gilt es, die verschiedenen Leistungen für Betroffene besser zu koordinieren. Das geht nur im Zuge verbesserter Vernetzung und Kooperation zwischen den zahlreichen beteiligten Akteuren. Dabei gilt es, nicht in Zuständigkeiten, sondern vor allem in Verantwortlichkeiten zu denken – immer bezogen auf die individuellen Problemlagen. Gute Kommunikation zwischen den Akteuren spielt dabei eine wichtige Rolle: Sinnvoll ist die Anwendung dialogischer Verfahren, in denen Standpunkte ausgetauscht, Spielräume ausgelotet und hilfreiche, kreative Lösungen erarbeitet werden können.

Auswahl einiger Statements

  • „Durch mehr Kooperation können Lösungen entstehen, die nach den Buchstaben der Gesetze manchmal nicht vorstellbar erscheinen.“
  • „Wenn ein Seemann nicht weiß, welches Ufer er ansteuern muss, ist kein Wind der richtige.“
    (Lucius Annaeus Seneca)

Grundlage für mehr Kooperation ist die Entwicklung gemeinsamer Handlungsgrundlagen der beteiligten Akteure. Eine positive innere Haltung zur Inklusion sowie die Entwicklung eines einheitlichen Verständnisses des Inklusionsbegriffs gehören neben einer genauen Diagnose und der Feststellung des Hilfebedarfs zu den Ausgangsbedingungen. Anschließend sind für eine gelingende Inklusion die gesetzlichen Rahmenbedingungen besser aufeinander abzustimmen und die Strukturen und Angebote mit den entsprechenden Ressourcen auszustatten.

Auswahl einiger Statements

  • „Das ganze „System“ Familie wird durch „Hilfen aus einer Hand“ verändert, so dass nachhaltig die Selbstwirksamkeit in allen Bereichen gestärkt wird.“
  • „Nicht in Zuständigkeiten, sondern in Verantwortlichkeiten denken.“
    (Sascha Wenzel)

Die Diskussionsergebnisse fließen im Anschluss an die Tagung in die AG „Seelische Gesundheit“ im Bündnis Gesund Aufwachsen zu vertiefenden Beratung ein.

Impressionen vom Markt der Möglichkeiten:

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